Tobias Schulte ist ein Urgestein des Marathon-Club Menden. Der in der Nähe von Frankfurt lebende Lendringser kommt der magischen Grenze von „Marathon 100“ immer näher. Trotz der viele Absagen während der Corona Pandemie hat er sein Vorhaben nicht aufgegeben und hat jetzt mit dem erfolgreich bewältigten Singapur Marathon die „Zahl 98“ genknackt. Der mit der mit der Erkrankung Diabetes Typ 2 laufende Ausdauersportler schildert die Atmosphäre des Marathons mit dem Start aus der „Formel 1 Boxengasse“ aber auch den Umgang mit den besonderen Herausforderungen seiner Erkrankung, mit der er ganz offen umgeht. Ein Beispiel für viele Betroffene.
Ein ganz persönlicher Laufbericht
Nach 2005 wollte ich noch ein zweites Mal beim Singapur Marathon an den Start gehen. Es wurde mein 98. Marathon und ein interessantes, anstrengendes aber schönes Abenteuer.
Am Sonntag den 04.12. sollten um 04.30 Uhr morgens ca. 20.000 Läuferinnen und Läufer auf die Strecke geschickt werden. Ca. 8.000 hatten sich für die volle Marathondistanz, die anderen für die Halbmarathondistanz entschieden. Den Wecker um 03.00 Uhr brauchte ich nicht, da ich aufgrund der Zeitverschiebung nicht schlafen konnte und ab 19.00 Uhr wach im Bett lag. Ich beschloss daher um 2.30 Uhr aufzustehen und zum Start zu gehen. Es war trocken und mit 26 Grad bereits schön warm. Die Boxengasse der Formel 1 Rennstrecke war auch gleichzeitig unser Startbereich. Das sollte sich als glücklicher Umstand erweisen, denn zehn Minuten vor dem geplanten Start zog ein Unwetter auf. Dieses führte zu einer Verschiebung des Starts auf unbestimmte Zeit. 20.000 Läufer fanden Schutz vor dem Gewitter und Starkregen in den 40 Garagen der Formel 1 Boxengasse. Dort wo sonst Rennwagen gewartet werden, saßen wir nun und hofften auf schnelle Wetterbesserung. Die Entscheidung, die Läufer/-innen nicht auf die Strecke zu schicken war absolut richtig. Bei diesem Tropensturm hätte man unmöglich laufen können. Allerdings war auch um 05.00 Uhr noch immer nicht klar, wann es losgehen sollte. Für die Organisatoren schien sich nun auch die Frage zu stellen, ob der Marathonlauf überhaupt noch stattfinden kann. Eine Absage des Rennens wäre natürlich bitter gewesen, da ich nur für den Lauf und nur für das Wochenende nach Singapur geflogen bin. Entsprechend erleichtert war ich, als der Moderator mit mittlerweile fünfzig minütiger Verspätung über die neue Startzeit um 05.30 Uhr informierte und alle Athleten/-innen aufforderte, die Formel 1 Garagen zu verlassen, um sich wieder im Startbereich aufzustellen. Es konnte also doch noch losgehen – Glück gehabt!
Die Herausforderungen einer Diabetes Typ 2 Erkrankung beim Marathon unter ganz besonderen Bedingungen
Im Nachhinein fand ich es beeindruckend, wie 20.000 Menschen geduldig und ruhig auf engstem Raum knapp eine Stunde auf den Start gewartet haben. Zwar freute ich mich, dass ich nun endlich loslaufen konnte, jedoch hatte ich aufgrund der Verspätung ein anderes Problem. Beim Marathon starte ich immer mit einem sehr hohen Blutzuckerwert. Durch die Bewegung reduziert sich dieser langsam aber stetig, so dass ich zum Ende des Langstreckenlaufs meist mit einem Wert im Normbereich und ohne Unterzuckerung das Ziel erreiche. Da ich nicht wie geplant loslaufen konnte, bestand bei mir das Risiko einer Überzuckerung. Ich hatte keine andere Wahl und musste während unserer Wartezeit in der Boxengasse Insulin spritzen um den Glukosewert zu senken. Mit Insulin im Blut ist ein Langstreckenlauf für mich sehr schwierig. Durch das Insulin, die Bewegung sowie die sehr warmen Temperaturen fiel mein Blutzuckerwert rapide ab und zwang mich nach schon 13 gelaufenen Kilometern zu meiner ersten Gehpause. Cola und Traubenzucker hatte ich ausreichend in meinem Laufrucksack dabei, so dass ich den Blutzuckerwert damit immer wieder korrigieren konnte. So zügig wie ich korrigieren konnte, so schnell sackte er allerdings auch wieder ab, sobald ich 1-2 Kilometer lief.
So war mir nach 15 gelaufenen Kilometern klar, dass dies ein sehr langsamer Marathon würde, da ich zwischendurch immer wieder lange Gehpausen zur Stabilisierung des Blutzuckerwertes einlegen musste. Aufgeben kam für mich nicht in Frage, die Zeit war mir auch egal. Ich habe noch nie bei einem Marathon aufgeben müssen, also sollte mir das beim 98. Marathon nun auch nicht passieren. Es wurde immer wärmer und wärmer. Mittlerweile war es 08.00 Uhr morgens und knapp 30 Grad. Ich habe es wirklich genossen. Es ist doch etwas Besonderes im Advent mit kurzer Hose und Shirt einen Marathon laufen zu dürfen. Alle 3km gab es Verpflegung. Das angebotene Wasser war auch für Läufer, die sich eher im hinteren Feld befanden immer eisgekühlt. „Cooling Stations“ gab es ab Kilometer 20 alle 5 Kilometer. Hier hatte man die Möglichkeit, sich mit in Eiswasser gekühlten Schwämmen zu erfrischen oder auch komplett für ein paar Sekunden in einer Eistonne zu regenerieren. Am Ende stand im Ziel eine Zeit von 5:27 Stunden auf der Uhr. Überraschenderweise bin ich mit der Zeit noch auf dem 2.543 Platz (von 5.774) gelandet. Viel wichtiger aber, dass ich überhaupt eine Finishermedaille mit nach Hause bringen konnte.
Der Singapur Marathon ist sehr empfehlenswert. Eine beeindruckende Organisation, eine abwechslungsreiche und schöne Strecke durch die sehenswerte Stadt Singapur und deren zahlreiche Parkanlagen sowie eine Garantie auf warme Temperaturen im Advent.